"Wer mit Pferden kommunizieren will, braucht ein Pferd, das mit ihm redet. Und wer etwas über Pferde lernen möchte, braucht ein Pferd, das sich frei äußert. Damit ein Dialog entstehen kann und das Pferd bei uns auch Gehör findet, muss es eine Gelegenheit haben, in seinem Sinn zu antworten, zumindest mit Zustimmung oder Ablehnung." (aus Selbstbewusste Pferde von Imke Spilker)
Ich war am Boden zerstört. Bereits vor einer geraumen Zeit hatte ich begonnen mich in Pferdesprache und gewaltfreien Umgang mit meinen Pferden zu üben. Ich war fest entschlossen nie wieder am Halfter zu ziehen oder meine Pferde mit mehr als meiner eigenen Energie zur Bewegung zu motivieren. Soweit so gut. Ein paar Tage zuvor war ich also noch ganz zufrieden mit mir und den Pferden. Ich dachte, endlich habe ich es verstanden. Es tat gut mich auf meine Energie und Präsenz zu fokussieren. Ich hatte sogar ein bisschen Geduld mit mir und sagte mir, als mein Pferd beim Führen immer wieder mit der Nase im Gras landete, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen sei... Nun denn, nach ein paar Tagen war diese anfängliche Euphorie einer satten Frustration gewichen. Ich fühlte mich schlecht, wenn ich am Halfter einwirkte, aber anders kam ich manchmal einfach nicht vom Fleck. Meine Pferde spiegelten mir beide das gleiche. Mitgehen, einfach so? Nein, ... wenn es nicht sein MUSS! Dann kamen Schuldgefühle dazu, wenn ich trotzdem weiter ging. Was für ein unangenehmer Cocktail aus Emotionen. Dabei wollte ich doch nur einen entspannten Nachmittag im Stall genießen. Und nun stehen wir hier schon eine gefühlte Ewigkeit Fleck und ich kann es kaum noch aushalten. Was für eine blödsinnige Idee... "Pferde muss man antreiben.....sie brauchen Dominanz... äh ich meine Führung....wahrscheinlich geht es einfach nicht ohne Druck...." Die Stimmen in meinem Kopf werden immer lauter.
Kennst du solche Situationen mit deinem Pferd? Mir jedenfalls passiert es auch heute noch immer mal wieder, dass ich bei allen guten Vorsätzen in alte Denk und Verhaltensmuster zuruck rutsche. Und dann kommt das Loch.... und dann setzte ich mich wieder auseinander mit dem was IST und dann fluppt es wieder.... bis zur nächsten Kriese. Das nennt man dann wohl persönliche Entwicklung. Schmerzhaft, anstrengend und.... am Ende unglaublich schön. Wenn ich mal wieder eine Hürde genommen habe, fühlt sich das richtig gut an. Plötzlich spüre ich meine Anspannung im Körper, wenn meine Pferde nicht weitergehen, kann sie lösen, indem ich atme und präsent werde und schwups geht es weiter. Total einfach. Naja, manchmal.
Und was hat das jetzt mit Pferdesprache zu tun? Alles. Pferde kommunizieren nonverbal, sie haben oberfeine Antennen und nehmen jede Regung in unserem Inneren wahr. Meine Pferde haben damals gespürt, dass ich zuerst in meiner Absicht nicht am Halfter zu ziehen jede Führung abgegeben hatte, weil ich einfach nicht wusste, wie es anders geht. Zudem haben sie gespürt, dass ich nicht wirklich entspannt oder sanft war, sondern innerlich unter Strom stand. Beides hat sie dazu bewogen lieber mal stehen zubleiben und nicht zu VERTRAUEN. Das wiederum habe ich gespürt und war sehr verletzt und frustriert. In diesen Augenblicken all die negativen Gefühle auszuhalten und weder Ausreden zu erfinden, noch im Selbstmitleid abzutauchen, ist wie gesagt, persönliche Entwicklung und ich kann versprechen, wenn das gelingt, dann ist der Weg bis zum nächsten Lichtblick nicht mehr weit.
Wie sieht dein Pferd aus, wenn es nein sagt? Wie sehen die Augen aus, wie die Nüster? Sind die Kiefer zusammengepresst, die Augen starr? Sind die Vorderbeine in den Boden gerammt, oder der Schweif eingeklemmt oder peitschend? Ich weiß inzwischen, dass es meiner großen Hannoveranerstute nicht gut geht, wenn sie das Maul anspannt. Eine Regung, die mir früher nicht mal aufgefallen wäre. Und hier stehen wir gewisser Maßen am Punkt unserer Einschulung in die Grundschule der Pferdeschule. Aller Anfang als Pferdesprachschüler ist schwer. Ich kann das bestätigen, aber wenn diese Hürde genommen ist, dann beginnt es richtig Spaß zu machen, die neue Sprache zu lernen. Jeden Tag gibt es neue Aha-Momente und auch wirklich lustige Situationen, denn wenn wir erstmal zuhören haben Pferde viel mehr zu sagen! Letztens hat mir meine Stute ein Halfter direkt vor die Füsse geschmissen, als sie wollte, dass ich sie aus der Box befreie, in die ich sie zum Heu fressen geparkt hatte. Erst dachte ich, das wäre ein Zufall gewesen. Beim zweiten Mal war es dann überdeutlich. Sie packte eins der Halfter, die an der Wand vor der Box hingen, und warf es vor meine Füße, so dass ich nicht vorbeigehen, sondern stehenbleiben musste. Lachend habe ich sie natürlich direkt aus der Box geholt. Es kann doch so einfach sein Pferde zu verstehen!
Wie fühlst du dich, wenn dein Pferd NEIN sagt? Wie reagierst du dann? Schaffst du es präsent zu bleiben in diesem Moment und nicht in alte Verhaltensmuster zurück zufallen?
PRAXIS TIPP
Eine kleine Übung, die dir dabei helfen kann präsent zu bleiben ist das Quadrat-Atmen. Atme ein und zähle dabei bis 4, 5 oder 6, je nachdem, wie es dir angenehm ist. Dann stelle den Atmen für den gleichen Zeitraum (bis 4, 5 oder 6 zählen) fest, um dann wieder genauso lang auszuatmen und anschließend den Atem wieder für 4 bis 6 Sekunden festzustellen. Dies wiederhole ungefähr 5 Mal (ca. 2 Minuten). Übe den Ablauf in ruhigen Momenten und nicht in gefährlichen Situationen. Du kannst zum Beispiel deine Pferdezeit damit einleiten, indem du vor dem Öffnen der Boxentüre oder des Paddocks bewusst im Quadrat atmest. Auch vor dem Aufsteigen ist es eine tolle Möglichkeit innerlich ruhig und präsent zu werden.
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